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Die Identitäre Bewegung

Die Identitäre Bewegung 

Ich erinnere mich noch, als ich vor ein paar Jahren, beim Stöbern auf YouTube auf ein Video des österreichischen Identitären Martin Sellner stiess. Wahrscheinlich ließ mich wohl der Titel der Veröffentlichung, an den ich mich nicht mehr erinnere, auf das Video klicken, ich weiss es nicht mehr. Was ich jedoch sehr wohl weiss, war die Verwunderung, die sich in mir breit machte, über diesen jungen Mann, der in seiner Wortwahl sehr elegant und sattelfest war, wobei jedoch der Inhalt des Gesagten bei mir nur Kopfschütteln auslöste. Ich fragte mich, wie es sein kann, dass es in Zeiten wie diesen, Menschen, vor allem Jugendliche gibt, deren Realität dermaßen verbogen ist, wie sie Sellner darstellt. Sofort begann der Psychologe in mir zu analysieren und ich versuchte zu verstehen, was da in der Erziehung dieses Menschen wohl schief gelaufen sein mag, welche Traumata mögen für so ein verzerrtes Weltbild gesorgt haben. Seit diesem Tag haben Sellner und Mitstreiter, die sich „Identitäre Bewegung“ nennen, immer wieder medial meine Wege gekreuzt. Sei es durch Aktionen oder Aussagen von deren Seite, über die in den Medien berichtet wurde oder weil ich in den sozialen Netzwerken auf Spuren der Identitären stiess. So fand ich auch ein YouTube-Video der Identitären Bewegung, das am 21. Januar 2016 unter dem Titel „Zukunft für Europa - Identitäre Bewegung“, veröffentlicht wurde (ich verzichte bewusst auf Verlinkungen). Phrasen, vorgetragen von Sellner, weiteren Jugendlichen und Menschen mittleren Alters, deren kameratauglich geschminkten Gesichter vor verschwommener Waldkulisse, der Reihe nach in Nahaufnahme zu sehen sind. Als Hintergrundmusik Streicherteppiche eines klassischen Orchesters, wie sie auch bei Entspannungs- oder Hypnoseübungen zur Anwendung kommen, im Vordergrund folgende Statements:

  1. Ihr macht eine Politik, die unsere Werte und Traditionen für eine multikulturelle Utopie opfert.
  2. Unser Europa liegt im Sterben, unsere Zukunft ist bedroht.  
  3. Was in anderen Ländern normal ist, wird von unseren Regierenden gefährdet. Identität ist kostbar. Wir werden uns dieser wieder bewusst. 
  4. Wir sind verbunden durch über tausend Jahre deutsche und europäische Geschichte, wir setzen die Kette fort.
  5. Ihr verhängt Denk- und Sprachverbote und etabliert den kranken Zeitgeist.
  6. Ihr fordert von uns Toleranz, Buntheit und Vielfalt aber meint Selbsthass, Selbstverleugnung und Selbstabschaffung.
  7. Ihr liebt und fördert das Fremde und hasst und bekämpft das Eigene.
  8. Ihr wollt uns einreden, dass wir keine Identität haben, zu homogen sind. Wir sollen verdrängt und ausgetauscht werden. 
  9. Ihr predigt die Vielfalt der Kulturen, doch betreibt ihre Zerstörung. 
  10. Ihr sprecht von Freiheit und Selbstverwirklichung und schafft Egoismus und Gleichgültigkeit.
  11. Ihr macht Menschen zur Ware, Kinder zu Objekten und erklärt Geschlechter und Familien für überflüssig. 
  12. Ihr redet von Europa, doch vergesst seine Völker.
  13. Ihr bevölkert unsere Heimat mit Fremden, die wir nicht verstehen.
  14. Ihr schafft euch ein neues Volk und macht uns zu Fremden. 
  15. Wir fordern ein Ende der Politik, die uns das Anrecht auf unsere Identität und unsere Selbstbestimmung abspricht.
  16. Wir fordern ein Ende des Bildungssystems, welches uns Scham und Selbsthass anerziehen will. 
  17. Wir fordern das Ende des gesellschaftlichen Mainstreams, in dem der gesunde Menschenverstand der politischen Korrektheit weicht. 
  18. Wir lassen uns nicht von den multikulturellen Dogmen disziplinieren, wir stehen bereit für die Rückeroberung.
  19. Wir wollen unser Europa und nicht eure Union.
  20. Unser Ziel ist keine Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform. Wir wollen nicht mitreden, sondern eine andere Sprache.
  21. Wir wollen keinen Stehplatz im Salon, sondern das Ende der Party.
  22. Wir sind die Jugend, ohne Migrationshintergrund, die leben will und ihr Land noch nicht aufgegeben hat.
  23. Eure Politik sorgt dafür, dass wir keine Zukunft haben werden. Wir aber wollen eine Zukunft, für uns und unsere Kinder. 
  24. Wir sind die Europäische Jugend, wir sind die Identitäre Bewegung. 

Soweit die in dem Video getätigten Aussagen und Forderungen. Beim Versuch, diese ernst zu nehmen, tun sich Fragen über Fragen zu deren Inhalten auf. Die Webseite der deutschen Identitären soll für Antworten sorgen. Einige Begriffe, welche im Video auffallen, werden dort in den FAQ wieder aufgegriffen. Die Erklärungen jedoch, bleiben schwammig und werfen zum Teil neue Fragen auf. Doch zurück zum Video. Gleich beim ersten Wort des ersten Satzes „ihr“, frage ich mich, wen genau meint Sellner, der den Reigen eröffnet, damit? Dieses „ihr“ übrigens wird im Verlaufe des Manifests immer wieder verwendet. Auch wer sich in die Schriften der Identitären vertieft, kann nicht präzise erkennen, für was genau dieses Personalpronomen nun konkret stehen soll. Begriffe und Phrasen wie „linke Deutungshohheit“, „linker Mainstream“ (wobei man unter Mainstream eigentlich eine Mehrheit versteht, weshalb Gegner der Mehrheit, den demokratischen Rechtsstaat in Frage stellen), „linksliberale Wohlstandswelt“, jener der „aus Schuldgefühl für die Vergangenheit unsere Selbstabschaffung wünscht“, „Schuldkult-Multikultis“, [in]„amerikanisierten Unterhaltungsmedien [...wird...] jede nur erdenkliche Ersatz-Identität angeboten“, „Schuldkult-Pauker“, „Europa [...als...] seelenlose Rechtsgemeinschaft“, „herrschenden [...] Lager des Selbsthasses“, „Ethnomasochisten“, „anti-identitäre Ideologie“, „anti-identitären Seite“, all das und noch vieles mehr findet sich in den Publikationen der Identitären. Die Frage nach dem konkreten Feindbild bleibt offen. Es finden sich Eigenkreationen von Begrifflichkeiten und Begriffszusammensetzungen, deren Bedeutung sich erahnen oder interpretieren lässt, die jedoch im allgemeinen wohl bewusst undifferenziert gehalten werden. Letzteres scheint eine Eigenschaft, die sämtliche Aussagen und Veröffentlichung der Identitären wie ein roter Faden zu durchzieht. Es entsteht so ein Anschein von Glätte und Konturenlosigkeit, was Angriffe und Kritik wohl erschweren soll. So nämlich, wie der Feind nicht präzise umrissen wird, bleiben auch Argumentation und die Sache an und für sich, für die die Identitären eintreten. Oberflächlich und mit Begriffen durchsetzt, deren Bedeutung eine Menge an Interpretationsspielraum zulässt, im Grunde alles oder nichts aussagt. So geht es denn im ersten Satz des Videos um Werte, über deren Definition sich schon einige im Laufe der Menschheitsgeschichte verloren haben. Werte nämlich, sind so individuell wie der Mensch selbst. Ein Volk, wenn sich eine Menschengruppe überhaupt so klar von einer anderen abgrenzen lässt und man nicht vom Staatsvolk spricht, ist in sich niemals so homogen, als dass man für dieses durchgehend einheitlich identische Werte definieren könnte. Aus dem Kontext dessen heraus jedoch, was die Identitären von ihrer Ideologie preisgeben, kann geschlossen werden, dass es sich bei den von ihnen benannten Werten um solche handelt, die Menschen anderer Ethnie, Religion oder Kultur automatisch exkludieren. Allerdings fehlen genaue Definitionen für Begriffe, wie eben Werte, Identität (dazu gleich mehr), Tradition usw. Irgendwie logisch, handelt es sich ja bei den Identitären um eine Bewegung, welche von Frankreich aus, über mehrere Länder hinausgewachsen ist. Es wäre schwer, die oben genannten Begriffe über Landesgrenzen hinweg, einheitlich zu definieren. Weil das so ist, stellt sich automatisch die Frage nach der exakten Trennlinie, welche wohl oder übel gezogen werden müsste, zwischen „unseren Werten, Traditionen, unserer Identität“ und jener der anderen. Angenommen, diese Begriffe könnten wirklich definiert werden, wer zieht diese Grenzen und wo genau sollen diese gezogen werden? 
Welches ist „unser Europa“ von dem im zweiten Statement die Rede ist? Was genau stirbt auf diesem Kontinent? Ist damit eine Landmasse mit deren Bewohnern gemeint, die sich einem Eiland gleich, wie eine Festung abschottet und sich gegen alles und jeden verteidigt, der oder das sich von Außerhalb im Begriffe ist, unsere Grenzen zu überschreiten? Soviel Weltfremdheit können jungen Menschen im einundzwanzigsten Jahrhundert doch nicht an den Tag legen? Weswegen in der Konsequenz die Frage nach dem offen bleibt, was sich da gerade anstrengt, sein Leben auszuhauchen?
Im dritten Statement geht es um andere Länder, in denen das Wahren einer Identität normal sei. Da ist es wieder, dieses Wort, mit dem wahrscheinlich wenige etwas anfangen können, „Identität“. Nun möchte man den Identitären nicht unrecht tun, findet man auf der Webseite unter den FAQ auf die Frage „Was heisst für euch eigentlich „Identität?“, folgende, aus diversen philosophischen Ansätzen zusammengewürfelte Erklärung: 

„Die menschliche Identität bildet sich aus einem komplexen Geflecht verschiedenster geschichtlicher, biographischer, kultureller, religiöser und sozialer Zusammenhänge. In den verschiedensten Stufen unserer persönlichen Sozialisation bilden sich charakteristische Merkmale unserer Identität heraus. Dabei besteht immer ein interagierendes Verhältnis zwischen der individuellen und der kollektiven Identität. Ein kollektives Merkmal unserer Identität bildet hierbei der ethnokulturelle Aspekt, der für uns den Kern des politischen Handelns darstellt und für dessen Erhalt und Bewahrung wir als Identitäre Bewegung tagtäglich aktiv sind. Wir glauben, dass sich jedes Volk dieser Erde durch seine besondere Verschiedenheit auszeichnet und in seiner Lebensart, seinen Wertvorstellungen, seiner Kultur, Herkunft, Religion und seinen sozialen Praktiken immer etwas Einzigartiges ist.
Jedes Volk hat demnach auch das Recht, diese Eigenschaften und Merkmale seiner ethnokulturellen Identität zu bewahren und zu verteidigen. Genau diese Bewahrung fordern wir auch für unsere eigene deutsche und europäische Identität ein. Die Frage nach der Identität wird im 21. Jahrhundert durch den Druck von Masseneinwanderung und Islamisierung zu einem stark polarisierenden Thema, zu welchem auch wir als Identitäre Bewegung klar Position beziehen. In dieser Frage betonen wir, dass Identität zum einem durch Einzigartigkeit und zum anderen durch Vielfalt und Unterschiedlichkeit gekennzeichnet ist. In der Wahrnehmung eines „Wir“ ist immer auch schon die Wahrnehmung der „Anderen“ eingeschlossen. Nur wer ein ehrliches und aufrechtes Verhältnis von sich selbst und dem Eigenen definiert, kann gleichzeitig dem Anderen offen und anerkennend in der Verschiedenartigkeit begegnen. Diese inhaltliche Positionierung erteilt jeglichem Rassismus und Chauvinismus eine klare Absage, da es uns stets um die Betonung des Rechts auf Bewahrung der Identität für jedes Volk und jede Kultur geht und wir eine qualitative Auf- oder Abwertung einer bestimmten ethnokulturellen Gemeinschaft klar ablehnen. Wir wollen daher auch die Identität des deutschen Volkes in ihrer Besonderheit neben den vielen weltweit nebeneinanderstehenden Völkern in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit bewahren.
Die ethnische und die kulturelle Seite unserer Identität sind dabei für uns gleichwertig. Die Überbetonung eines Teilaspekts der Identität lehnen wir ab. Die ethnokulturelle Identität ist also immer in einer ganzheitlichen Beziehung erwachsen und schuf in der Geschichte die grundlegenden Markierungen, die sich immer weiter fortsetzen. Als Identitäre wollen wir, dass auch noch in 100 Jahren eine europäische Identität ein Existenzrecht für sich beanspruchen kann.
Identität spielt sich auf unterschiedlichen Ebenen ab: Auf der regionalen Ebene zeichnet sich dies durch die unmittelbare örtliche Verbundenheit zur eigenen Stadt oder zum Dorf aus. Dialekte, Bräuche, Sitten und die regionale Geschichte prägen diese Identität im Besonderen.
Auf der nächsten Ebene folgt die nationale Identität. Diese ist durch die direkte Bindung zu einem Volk oder einem Staat charakterisiert. Sie stellt einen umfassenden Identifikationsrahmen dar, der sich durch soziale, sprachliche und kulturelle Regelsysteme kennzeichnet, die sich schließlich auf der regionalen Ebene konkretisieren. Die Verabsolutierung dieses Identitätsbereiches in einen dogmatischen Nationalismus lehnen wir als Identitäre Bewegung ab. Die nationale Identitätsebene betont und fördert stets die direkte und lebensnahe Verbindungslinie zur regionalen Identität. Alle Identitätsebenen summiert schaffen ein Gerüst welches aufeinander aufbaut und sich ergänzt.
Auf der dritten Ebene folgt die zivilisatorische Identität, die sich für uns konkret in der europäischen Identität niederschlägt. Durch Herkunft, Geschichte und Kultur teilen wir alle Europäer ein gemeinsames Erbe und ein gemeinsames Schicksal, dessen Betonung und Bewusstsein heute umso notwendiger ist, da die aktuellen Entwicklungen unser aller Kontinent betreffen und die Geschichte Europas immer auch durch kulturellen Binnenaustausch und Ergänzung geprägt.“

So umfangreich und tiefgreifend diese Definition auch zu sein scheint, so ist sie im selben Maße voller Widersprüche und entbehrt jeglicher Logik. Allein die zu Beginn bestätigte Komplexität lässt erahnen, dass eine Abgrenzung verschiedener Identitäten, innerhalb diverser Völker, unmöglich ist. Schon alleine die Vorstellung von Völkern, die schon seit hunderten von Jahren, zumindest in der zivilisierten Welt, als homogene und klar definierbare Menschengruppen nicht mehr existieren, fällt zunehmen schwerer. Literatur und weitere Argumente zu diesem Thema finden sich hier. Jedes Mal wenn Identitäre das Wort „Volk“ in den Mund nehmen und man versucht, sich diesen Begriff zurecht zu denken, fällt einem unweigerlich irgendein, bis heute unentdeckt gebliebener Volksstamm, irgendwo im Amazonas oder auf Papua-Neuguinea ein. Wie kann sich diese Vorstellung mit einer modernen und heterogenen Welt decken?
Die in der vierten Aussage angesprochene tausendjährige europäische Geschichte, welche uns verbinden soll und zu deren Fortsetzung sich ausgerechnet die Identitären berufen fühlen, beinhaltet vieles dessen, wogegen eben diese Bewegung vorgehen will. So gab es seit je her eine Vermischung von Ethnien, womit Multikulti offensichtlich nicht eine Erfindung des 21. Jahrhunderts ist. Seit vielen hunderten von Jahren gab es ein mehr oder minder friedliches Zusammenleben von Menschen, verschiedenster Religionen und Herkunft. Migration war immer schon ein Phänomen, mit dem Länder und Kontinente zurecht zu kommen hatten. All dies beinhaltet diese unsere europäische Geschichte und sie wird es auch weiter beinhalten.  
Die Verbote, welche im fünften Statement angesprochen werden und welche sich wohl auf die Meinungsfreiheit beziehen, schlagen alles bisherige und auch das Folgende an Absurdität. Abgesehen davon, dass die Worte des bekannten Volksliedes über die Freiheit der Gedanken immer noch absolute Gültigkeit besitzen, kann heute jeder innerhalb der Grenzen des Grundgesetztes, zum Ausdruck bringen, was ihm genehm ist oder welche Meinung er nicht teilt. Ein Fakt, von dem auch die Identitären massiv Gebrauch machen. Sein könnte natürlich, dass ihnen die ständige Gratwanderung zur Volksverhetzung nachvollziehbar unangenehm ist. Vielleicht mit ein Grund für die substanzlosen und glatten Aussagen sämtlicher Statements. 
Was folgt sind Interpretationen der Bedeutung von Worten, die weiter nicht hergeholt sein könnten. Durchaus positive besetzte Begriffe, wie Toleranz, Buntheit und Vielfalt werden gleichgesetzt mit Selbsthass, Selbstverleugnung und Selbstabschaffung. Die Logik dahinter erschließt sich einem in keiner Weise. Genauso der Vorwurf, das Fremde würde geliebt und gefördert, wobei das Eigene gehasst und bekämpft werden würde. Der äußerst eingeschränkte Horizont der Identitären, lässt die Toleranz des Fremden neben der Liebe zum Eigenen nicht zu. In deren Ansicht scheint es sich um zwei Zustände zu handeln, die sich zwangsläufig gegenseitig ausschließen. Handelt es sich hierbei um einen Denkfehler oder kann man schon von einer Pathologie sprechen? Auf letzteres deuten die klaren Phobien hin, welche in Statement Nummer acht zum Ausdruck gebracht werden. Die Angst, ausgetauscht zu werden ist so absurd wie irrational und entfällt in den Bereich der Verschwörungstheorien. Ansätze, welche bei den Identitären immer und immer wieder auffallen. 
Im Folgenden werden Aussagen getätigt, die am ehesten an die Wirtschaftslobbys und/oder die Europäische Union gerichtet sein könnten. Es wird Kritik an gewissen Folgen der Globalisierung geübt, die, muss man fairerweise zugeben, in Teilen sicher berechtigt ist. Im Zusammenhang mit den Identitären jedoch, schwingt immer ein nationalistischer Unterton mit, der diese Kritik natürlich relativiert. 
In Aussage Nummer elf findet sich noch ein interessantes Detail, betreffend Familie und Geschlechter. Es lässt sich nur vermuten, dass es sich hierbei um Anspielungen auf eine Ehe für alle und auf die Anerkennung von Geschlechtern, abseits der klassischen Mann-Frau-Klischees, handelt. Errungenschaften einer modernen Gesellschaft, die sich mit den schon archaisch anmutenden konservativen Vorstellungen der Identitären, nicht zu decken scheinen.  
In der dreizehnten Aussage outen sie sich ebenfalls, als von irrationalen Ängsten getrieben. Die Tatsache, dass die Sprache einiger Menschen, welche aus anderen Ländern zu uns kommen, für Identitäre nicht verständlich ist, bereitet ihnen Angst. Argumente, welche beinahe schon kindlich anmuten und fast mitleiderregend wirken. 
Was nun kommt, sind Forderungen, wieder an das nicht näher beschriebene Feindbild gerichtet und ebenfalls gespickt, mit nicht konkret fassbaren Begriffen. Bei der Forderung nach Selbstbestimmung wirft sich die Frage auf, was damit genau gemeint sein könnte. Eine Autonomie innerhalb der rechtsstaatlichen Strukturen, ausschließlich für Identitäre kann es wohl nicht sein. Haben letztere jedoch das Gefühl, wir seien fremdbestimmt, fehlen genauere Angaben, die solche Empfindungen belegen würden. Ansonsten handelt es sich um die mehrmals angesprochenen Aussagen ohne Aussagekraft, unpräzise und nicht definiert oder schlichtweg um eine Verschwörungstheorie. 
Unter Punkt sechzehn findet sich eine Aussage, die in den Schriften der Identitären immer und immer wieder zu finden ist und sich ausschliesslich auf die Deutschen und Österreicher bezieht. Zwar geht es dabei um die Schuld und die mit ihr einhergehende Scham, welche ihnen deren Vergangenheit auferlegt hat. Konkret, aus Sicht der Identitären sind die Greueltaten in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust, Relikte der Vergangenheit, für die heutigen Generationen nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden dürften. Was in gewissem Sinne nachvollziehbar scheinen mag, entpuppt sich jedoch bei genauerer Betrachtung, im Hinblick auf den subtilen Hass auf das Fremde und die Angst vor dem Anderen, die bei den Identitären immer wieder hervor treten, als Korsett, das in der Art und Weise, wie Formulierungen und Aussagen getroffen werden müssen und wie vielleicht sogar agiert werden kann, sichtlich einschränkt. Dies ist auch der Grund, weshalb Inhalte nie konkretisiert werden, immer ein Weg nach hinten offen bleiben muss. Dabei ist mit jedem Wort spürbar, welches die feuchten Träume der Identitären sind und wie sehr sie bemüht sind, ihre eigentliche Gesinnung nie offen und konkret zur Schau zu stellen. Weshalb sie auch ein Ende der politischen Korrektheit fordern, welche sie als einen Maulkorb empfinden. Es fehlt eindeutig an der Möglichkeit, Hetze und Xenophobie ausleben zu können, ganz nach dem Motto, „das wird man doch noch sagen dürfen“, ohne sich dabei jenseits der gesetzlich vorgegebenen Limits zu bewegen. Das meinen die Identitären, wenn sie sich darüber beklagen, zensiert zu werden, nicht frei denken oder agieren zu können. Und immer wieder stellen sie sich gegen die Mehrheit, indem sie den Mainstream stigmatisieren. Solche sich ständig wiederholende Statements lassen erahnen, wohin die Reise ginge, würde eine solche Bewegung, durch gewisse Umstände, Macht erlangen. So sprechen sie auch davon, von multikulturellen Dogmen diszipliniert zu werden und, dass sie für eine Rückeroberung, von was auch immer, bereit stünden. Dafür nutzen die Identitären auch den pathetischen Ausdruck „Reconquista“, der einen gewissen intellektuellen Touch vermitteln soll und im Grunde jedoch schlicht als Synonym für „Putsch“ steht. Und auch hier wieder die Metapher, welche eindeutige Tendenzen aufzeigt, die an Zeiten erinnern, welche sich nie wiederholen dürfen. Moralischer Grundsätze sowie gesetzliche Schranken zwingen die Identitären zur Zurückhaltung. Man mag sich gar nicht ausmalen, was passierte, gelänge es ihnen, sich darüber hinweg zusetzen. 
Gegen Ende des Manifests werden die Identitären ausnahmsweise doch fast konkret. Wenn sie sagen, sie seien gegen die Union und wollen ein eigenes Europa, muss es sich wohl um die Europäische Union als Institution handeln. Diese anzuzweifeln kann legitim sein, als kleine Bewegung ein eigenes Europa zu fordern, grenzt an Größenwahn. Dabei vermitteln sie eindeutig, dass ihnen nichts an einem Ausbau, an Veränderung oder am Beibehalten gewisser Errungenschaften, welcher Art auch immer, gelegen ist. Was die Identitären wollen ist, alles Bestehende zerschlagen, um nach eigenen Maßstäben, neu zu gestalten. Dass Menschen mit Migrationshintergrund nicht Teil der Zukunft eines identitären Idealkontinents sind, bringen sie konkret zum Ausdruck. Würde ein einzelner Mensch, solche Ideen zum Besten geben, er würde in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. In der Gruppe fallen solche Statements unter den Begriff Meinungsfreiheit und somit unter etwas, das unsere Demokratie aushalten muss, um eine Floskel zu benutzen. Obwohl, die letzte Aussage, die Identitären seien „die Europäische Jugend“, doch fast wieder auf kollektive Wahnvorstellungen rückschließen ließe. 

Was bleibt ist die Frage, wie geht man mit einer solchen Bewegung um? Denn gleichwohl sie sich nach außen offen und liberal zeigt, mit freundlichem Gesicht und geschliffener Rhetorik um Stimmen in der Gesellschafft buhlt, verbirgt sich dahinter die Fratze der Rassisten und Menschenfeinde. Zu diesem Schluss kommt man, indem man wie ein Alchemist, das aus den Statements der Identitären heraus sublimiert, was den Kern ihrer Thesen darstellt. Da mögen sie noch so oft auf die Fragen in den FAQ, „Sind eure Ziele nicht rassistisch/extremistisch?“, „Seid ihr gegen Einwanderung?“ oder, „Seid ihr gegen Ausländer?“, mit „Nein!“ antworten, nur um im gleichen Atemzug zu relativieren und zu widersprechen. Zu Floskeln verkommene Sprüche, wie „Hilfe vor Ort“, oder „Fachkräfte wandern ab, welche etwa in Ländern Afrikas dringend gebraucht würden, was es zu verhindern gilt“, die auch in das Schema der Identitären passen, werden genutzt, um die durch und durch xenophobe Einstellung zu kaschieren. Mit diesem Schachzug, sowie damit, dass man Menschengruppen, welche aus anderen Ländern stammen, ebenfalls als Völker schubladisiert und ihnen als solche eine eigene Identität mit eigenen Werten zuspricht, welche diese, natürlich im eigenen Land, wiederum zu leben und zu verteidigen hätten, trennt man mit chirurgischer Präzision, die von uns, schwarz von weiss, Herrenrasse von Untergebenen. Um die Identitären nicht als jene Menschenfeinde und rechtsradikale Gefahr wahrzunehmen, die sie darstellen, hat man sich schon äusserst unkritisch deren Aussagen gegenüberzustellen. Man muss eine fast hörige Akzeptanz für Undifferenziertheit an den Tag legen, sich mit schwammigen Worthülsen und niedlich rhetorisch verpackten Thesen zufrieden geben. 
Meine Erinnerungen gehen zurück in Zeiten, als der europäische Urvater des Populismus, der Österreicher Jörg Haider, mit seinen steilen sowie menschenverachtenden Thesen an die Öffentlichkeit trat. Auch damals hatten dies viele Menschen kopfschüttelnd quittiert. Seine Aussagen waren so gewagt und grenzwertig, dass jeder denkende Mensch davon ausgegangen war, dass in der breiten Masse die Vernunft und die Ratio überwiegen würden. Heute weiss man, dass dies ein Trugschluss war. Die Haiderpartei FPÖ ist Regierungspartei und dabei, das Land „zurück zu erobern“. Funktioniert hat dies durch eine perfide aber doch sehr simple Taktik, welche von allen populistischen Strömungen gefahren wird, seien es die deutsche AfD, die Identitären oder aber die FPÖ in Österreich. Die konsequente öffentliche Darstellung von Lügen oder Halbwahrheiten, das hartnäckige Verbreiten von verschrobenen Weltbildern und das Schüren irrationaler Ängste, zeigen Früchte. Mit jedem Artikel, jeder Meldung und jeder Talkshow, in der einem Vertreter dieser Strömungen eine Plattform geboten wird, schafft man ein klein wenig mehr Akzeptanz in der Bevölkerung, für den Irrwitz, den diese verbreiten. Dabei propagieren sie sowohl die Wahrheit für sich, als auch den wahrhaftigen Blick auf die Realität. Konsequent werden die Schwächen einer liberalen und offen demokratischen Gesellschaft hervorgekehrt, um diese gegen unsere Gesellschaftssysteme auszuspielen. Und während wir uns in Argumentation verlieren und darin, viele dieser steilen Thesen zu widerlegen, unterwandert diese Gesinnung langsam aber stetig einen immer grösser wachsenden Teil unseres politischen Spektrums und des öffentlichen Diskurses. Dabei hatten wir es niemals vorher so einfach wie heute. Die Ereignisse aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts lassen sich hervorragend dazu nutzen, um vergleichend auszuloten, wo wir aktuell stehen und wo wir enden werden, wenn nicht genug getan wird, um gewissen Kräften Einhalt zu gebieten. Trotz dieser Tatsache sehen wir eine deutsche Regierungskoalition, die fast schon gelähmt, wie die Maus vor der Schlange, konzeptlos alles mit sich geschehen lässt, was da von außen auf sie herab prasselt. Anstatt aufzustehen und die mehr als deutlichen Zeichen der Zeit zu erkennen, um Maßnahmen zu ergreifen, muss man sich bereits mit den Folgen dessen auseinandersetzen, was man Jahrzehntelang verschlafen hat. Die Welt nämlich der Menschenfeinde, ist bereits in die innersten Zirkel der Macht vorgedrungen und wirkt nun von beiden Seiten auf die Menschen ein, welche in Abhängigkeit zu den Staatsgewalten stehen. Das, was uns in den letzten Jahrzehnten Sicherheit und Wohlstand gebracht hat, wird schlecht geredet, die Schwächen aufgebläht, die Stärken ignoriert. Die Mitte wird zum links-grün versifften Abschaum, der Helfer zum realitätsfernen Gutmenschen und der Kritiker zum nazikeulenschwingenden Feind der Rechten degradiert. Immer und immer wieder wird das Stilmittel des so genannten Whataboutism zur Anwendung gebracht, mit dem ein konstruktiver Diskurs verwässert und meist unmöglich gemacht wird. Immer noch sind Diskussionsgegner unvorbereitet und lassen sich durch solcherlei Rhetorik allzu oft aus dem Konzept bringen, fallen sogar Richter auf Aussagen und Statements von rechtsradikalen Bewegungen, wie jene der Identitären herein, wie es letztens im österreichischen Graz der Fall war. Fast mantraartig werden von Seiten der populistischen Strömungen, bekannte Klischees über verschiedenste Bevölkerungsgruppen kolportiert, damit sich diese in der breiten Masse verfestigen. Dies schafft die Akzeptanz für die kranken und menschenverachtenden Agenden, wie beispielsweise für jene der Identitären. 

All dieser taktischen Vorgehensweisen müssen wir uns bewusst werden und wir dürfen nicht zulassen, dass sie den öffentlichen Diskurs dominieren. Politische Parteien der Mitte, sowie unmittelbar links und rechts davon, müssen sich wieder auf ihre eigentliche Aufgaben konzentrieren, nämlich dem Staatsvolk zu dienen und dessen Bedürfnisse zu befriedigen. Dort jedoch, wo eine soziale Politik kaum mehr wahrzunehmen ist, wo Wirtschaftslobbys ihren starken Einfluss auf politische Entscheidungen haben und in der Folge Gräben zwischen gesellschaftlichen Schichten aufgerissen werden, findet sich der Nährboden für radikale Kräfte. Die Strategie kann nicht darin liegen, wie etwa mit dem Vorgehen der bayrischen CSU in Deutschland, sich der Dogmen der Rechtsradikalen zu bedienen und zu glauben, damit beim Wahlvolk punkten zu können. Dass diese Strategie nicht aufgeht, zeigen aktuelle Umfragewerte. Auch eine SPD, welche schier konturenlos von einem Koalitionspartner assimiliert wird und als eigenständige Kraft kaum wahrzunehmen ist, versinkt in der Bedeutungslosigkeit. Lücken, in die Bewegungen, wie diese der Identitären, ihre Keile treiben. Letztere sind zwar keine politische Partei, sind aber durchaus als Handlanger der Rechten, wie AfD in Deutschland oder aber FPÖ in Österreich zu bewerten. Die Gefahr, welche gerade von den Identitären ausgeht ist, dass sie sich nicht mit dumpfen Parolen den Weg nach vorne bahnen, sondern mit wohl designten Manifesten, durchorganisierten und vermarktbaren Aktionen und mit Intellekt. Trotz allem, bleiben sie durchschaubar und wir müssen aufstehen und uns diesem Trend entgegenstellen. Diese Kräfte gab es damals in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts auch schon. Nur waren sie damals scheinbar nicht stark genug, hat sich deren Taktik nicht bewährt. Lasst uns deshalb nicht die Fehler vergangener Generationen wiederholen und gehen wir taktisch einen effizienteren Weg. 

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