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Medienkompetenz, das größte Defizit des 21. Jahrhunderts

 Zwischendurch sehe ich mir an, was alles an konträren Meinungen das Netz durchströmt. Dabei scheu ich mich nicht vor Inhalten, mit denen ich absolut nicht übereinstimme. So kommt es vor, dass ich mir immer wieder Texte oder Videos von Rechtsradikalen, Esoterikern, Schwurblern, Populisten usw. zu Gemüte führe. Ich leugne nicht, dass mich ein gewisser Voyeurismus treibt, dieses „wie kann man nur…“, aber ich versuche mich dabei auch mit den Argumenten dieser Menschen auseinanderzusetzen, um sie im Geiste zu analysieren und zu kontern, Gegenargumente zu finden. Wie gesagt, im Geiste. Ich bin allerdings, was meine Quellen angeht, ein wenig eingeschränkt. Denn Plattformen, wie etwa Facebook oder Instagram, muss ich außen vorlassen. Von Facebook habe ich mich bereits im Jahr 2013 verabschiedet, als mir bewusst wurde, in welche Richtung dieser Konzern abdriftete. Was andere Plattformen angeht, wäge ich ab, ob ich deren Leistungen oder Inhalte benötige, ob es sich um Innovationen mit einer gewissen Tragweite handelt und ich aus diesem Grund vielleicht mit dabei sein sollte.

Nun habe ich mich, was die sogenannten sozialen Medien angeht, auf Twitter beschränkt. Es ist mir vollkommen bewusst, dass auch diese Plattform ähnliche Tücken aufweist, wie etwa Facebook, z.B. deren Algorithmen betreffend. Allerdings ist Twitter weit entfernt von der Größe und Macht von Facebook. Twitter ist für mich eine Art Transportmittel, das mir Inhalte von anderen Medien in die Timeline spült und ich somit nicht unbedingt gezwungen bin, an weiteren Plattformen zu partizipieren, wie eben Facebook oder Instagram. Ich bekomme auf diese Weise auch als Außenstehender mit, was dort an Inhalten geteilt wird, wenn auch vielleicht zeitverzögert und gefiltert. Somit konsumiere ich, was mir über Twitter oder YouTube zugespielt wird und News von diversen Online- und Printmedien. Oft suche ich gezielt nach Themen, was der größte Garant für Vielfältigkeit ist. So kommt es, dass sich mit der Zeit ein buntes Sammelsurium des Unsinns ansammelt. Was in mir einen gewissen Druck erzeugt, ähnlich wie in einem Schnellkochtopf. Das Ventil suche ich dann darin, indem ich meine Gedanke niederschreibe. Dies hilft mir, sie zu strukturieren und schafft gleichzeitig Erleichterung.

Vor einigen Tagen bin ich auf das Video einer Diskussionsrunde von Anfang Januar 2022 gestoßen, zum Thema „Impfpflicht: Ende der Freiheit“. Wie viele Menschen, bin auch ich an den Meinungen von Experten interessiert. Man sollte davon ausgehen können, dass es sich um solche handelt, wenn dermaßen wichtige Themen, wie die Freiheit der Menschen in Zusammenhang mit einer Impfpflicht diskutiert werden. Was sich da jedoch bot, hat mir die Sprache verschlagen. Bevor ich nun darauf eingehe, möchte ich kurz einen kleinen Exkurs machen.

Seit meiner Jugend schon beschäftige ich mich mit der Arbeit von Medien und deren Beziehung zur Wahrheit. Ein sehr heikles Thema, das besonders in Zeiten von „Lügenpresse“, aktueller ist denn je. Ich habe diesbezüglich viele Bücher gelesen und mir immer wieder auch Vorträge von Wissenschaftlern und anderen Experten angesehen, die sich beruflich mit dieser Thematik auseinandersetzen. Wie in den meisten Fällen hilft hier nur der differenzierte Blick auf die Dinge. So etwa bedeutet der Fall Relotius beim „Der Spiegel“ nicht, dass alles was dieses Medium veröffentlicht, gelogen ist.
Meine letzte Investition war das Buch von Fritz Jergitsch aus dem Jahr 2021, mit dem Titel „Die Geister, die ich teilte“. In diesem beschreibt er unter anderem die Entwicklung des Internets, mit Schwerpunkt auf soziale Netzwerke und welchen Einfluss Algorithmen auf die Verbreitung von Information haben. Es handelt sich dabei für mich zwar nicht um grundlegend neue Erkenntnisse, trotzdem ist es unheimlich spannend, diese Informationen gebündelt und strukturiert vorgesetzt zu bekommen. Eine Lektüre, die ich jedem empfehle, der sich im Internet bewegt. Dieses Buch hat meine Sensibilität erneut geweckt, was den Umgang von Menschen mit der Informationsflut unserer Tage betrifft. Ende des Exkurses.

Bei der oben angesprochenen Diskussionsrunde handelte es sich um ein Talk-Format, das auf dem privaten Fernsehkanal eines bekannten Brauseherstellers zu sehen war. Dieser ist für seine fraglichen Inhalte bekannt und dafür, umstrittenen Persönlichkeiten eine Plattform zu bieten. Das Video, um das es geht, zeigte nur einen Teil der Sendung und ich kann nicht genau sagen, wer alle Teilnehmer dieser Runde waren, wie genau deren Expertisen aussehen, was jedoch nicht weiter wichtig ist. Unter anderem waren zwei der Diskussionsteilnehmer Mediziner, einer ein Statistiker und eine Musikerin/Sängerin. Schon diese Konstellation wirft Fragen auf und sollte eigentlich skeptisch machen. Vielleicht habe ich selbst das Format „Talkshow“ nicht verstanden, Fakt ist jedoch, dass folgender Mechanismus greift. Es wird die Ansicht und im besten Fall, die Expertise von Menschen an die Öffentlichkeit gebracht, weil sei relevant sind. Man suggeriert, dass jene Persönlichkeiten und deren Aussagen wichtig genug sind, um sie einer breiten Masse zugänglich zu machen, zum Zwecke der Meinungsbildung. Oft tendiert man der Quote wegen, Experten mit Laien zu vermischen, deren Daseinsberechtigung in der Show, ausschließlich ihr Bekanntheitsgrad ist. Ließe man nur Experten diskutieren, deren Ansichten sicherlich auch konträr sein müssen, würde dies zur Meinungsbildung beitragen. Sind Laien involviert tritt bei gebildeten Menschen ein, was man allgemeinhin als fremdschämen bezeichnet und Frust macht sich breit. Anderes aber passiert bei Konsumenten, denen wissenschaftlicher Diskurs fremd ist, denen diese Sprache zu kompliziert und deshalb suspekt ist. Sie identifizieren sich mit den Laien als „eine/r von uns“, „der/die unsere Sprache spricht“, „jemand aus dem Volk“ usw. Kompetenz ist in diesem Falle vollkommen irrelevant. Wichtig sind klare und einfach verständliche Aussagen. Immer wieder wird der sogenannte „Hausverstand“ oder auch „Menschenverstand“ zitiert. Leider reicht dieses scheinbar angeborene Verständnis, für komplexe Situationen bei weitem nicht aus, um sie verstehen und einordnen zu können.

Der Fehler, den öffentlich-rechtliche Medien immer wieder aus einem falschen Verständnis für Meinungsfreiheit heraus machen und private aus finanziellem Kalkül, führt zu einem Phänomen, das sich „False Balance“ nennt. Man versteht darunter eine mediale Verzerrung von hauptsächlich wissenschaftlichen Inhalten. Eine Mehrheitsmeinung wird einer Minderheit gegenübergestellt. Es entsteht so der falsche Eindruck von Ausgeglichenheit. Oft wird auf diese Weise kompletter Unfug wissenschaftlichem Konsens gegenübergestellt und scheint gleichberechtigt. Der Konsument steht vor der scheinbaren Entscheidung, Fakt oder Unfug. Fakten sind in der Regel kompliziert und setzten ein bestimmtes Grundwissen voraus oder aber Vertrauen in Wissenschaft und oft auch in staatliche Institutionen. Alles Punkte, welche besonders im Zeitalter von Fake-News und Informationsschwemme sehr gelitten haben. Weshalb vielfach der besser verständliche und nur scheinbar klare Unfug, mit Hilfe der Medien zum Fakt gemacht wird, egal wie unsinnig dieser auch sein mag. Meist handelt es sich um Aussagen, welche dermaßen fern von jeglicher Evidenz sind, dass es unmöglich ist, in der Kürze der Situation entsprechend aufzuklären. Moderatoren neigen dazu, Experten zu unterbrechen, sind nicht wirklich an Aufklärung interessiert, sondern daran, die Spannung aufrechtzuerhalten. Dies passiert, indem man möglichst polarisiert. Ich persönlich habe noch nie erlebt, dass irgendwer jemand anderen in einer Talkshow von seiner Meinung abbringen konnte. Das ist auch nicht das Prinzip dieses Formats. Der Lauteste, mit dem größten Durchsetzungsvermögen gewinnt und nicht zwingend die Expertise.

Das besagte Video begann mit der Frage des Moderators an die Sängerin, ob es eine Impfpflicht braucht, wie sie der deutsche Kanzler fordern würde. Die Antwort folgte in einem Monolog, bei dem vollkommener Unfug mit einer Selbstverständlichkeit vorgetragen wurde, dass mir der Mund offen stehen blieb. Die Dame war nicht ungeschickt in der Lage, ihre Worte mit diversen Scheinargumenten zu untermauern, um ihnen mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Etwa durch das ansatzweise Zitieren irgendwelcher Gesetzestexte, inklusive exakter Artikelnummer. Deren Richtigkeit konnte zwar auf die Schnelle niemand überprüfen, machte aber Eindruck und sollte Kompetenz vermitteln. Was aber offensichtlich war, die Dame hatte irgendwelche Informationsfragmente zu einem großen Ganzen zusammengefügt. Dieses Konglomerat mochte für sie selbst Sinn ergeben, war jedoch trotzdem fern jeglicher Evidenz. Der Moderator ließ sie natürlich gewähren, denn was sie von sich gab, entsprach der Linie des Senders und wohl auch jener des Moderators. Als sich die Gelegenheit bot, versuchte einer der Mediziner anzusetzen, um Klarheit zu schaffen. Wurde jedoch von der Sängerin unterbrochen, die folgende Aussage von sich gab: „Natürlich bin ich keine Ärztin aber das Internet ist voll von ärztlichen Aussagen. Wir habe jetzt mehrere Videos gesehen, auf Facebook, da sagen die, es sind sehr viele vollkommen Geimpfte auf den Intensivstationen.“

Man kann an dieser Stelle unerwähnt lassen, dass die Aussage nicht nur so stehengelassen wurde, sondern auch alle weiteren Versuche des Mediziners, im Laufe der Sendung argumentativ zu punkten, von der Sängerin auf selbe Art und Weise, schlicht vom Tisch gewischt wurden. Das Verhalten des Moderators, der zumindest für Ausgeglichenheit hätte sorgen sollen, bewirkte das Gegenteil. Nicht nur, dass sich die Sängerin in ihren Aussagen bestätigt sah, beim Publikum muss der Eindruck entstanden sein, dass sie richtig lag und der Experte Teil einer Verschwörung sei. Bei jedem intelligenten Menschen macht sich beim Konsumieren von solch zweifelhafter Unterhaltung, eine Menge Frust breit. Würden doch die Aussagen der Experten interessieren, aus denen man sich dann wiederum eine eigene Meinung bilden könnte. Wen interessieren die unqualifizierten Aussagen einer Schwurblerin? Das alles jedoch ist nur die Spitze des Eisbergs der Perversion. Was hier gegriffen hat, war ein System, das einen fatalen Mechanismus in Gang setzt.

Es existieren unzählige Medien, deren Auftrag in erster Linie darin besteht, Umsätze zu generieren und nicht Menschen zu informieren. Umsätze werden durch Werbung gefahren und letztere verkauft sich durch Konsumentenzahlen. Diese Umstände zwingen die entsprechenden Medienunternehmen dazu, den Schwerpunkt ihrer Produkte, nicht nach qualitativen Maßstäben zu setzten, sondern schlicht nach jenen, welche die Quoten in die Höhe treiben. Bildlich beschrieben, interessiert das theoretische Brandverhalten eines Hauses höchstens ein paar versierte Charaktere. Der gewöhnliche Verbraucher will das Haus brennen sehen. Dieses Bedürfnis befriedigen private Medien und nicht nur das. Manchmal sind sogar sie es, die das Feuer entfachen und/oder am Brennen halten. Konsumenten werde geblendet, da sich diese Medien oberflächlich betrachtet kaum von dem unterscheiden, was wir von Öffentlich-Rechtlichen kennen. Diese sind jedoch mit einem Bildungsauftrag unterwegs und jenem, qualitativ hochwertige Informationen einem breiten Publikum zur Verfügung zu stellen. Hier prallen zwei Welten aufeinander. Einmal jene der Medien, die rein gewinnorientiert sind und dann die anderen, die hauptsächlich um Qualität bemüht sind. Theoretisch ließe sich der Fokus auf Rentabilität und Gewinne mit der Qualität vereinbaren. Warum jedoch den komplizierten Weg gehen? Welche/r Unternehmer/in ist von so viel Idealismus getrieben, dass Sie/er betriebliche Interessen einem hehreren Ziel opfert? Es mag auch solche geben, nur die meisten hatten, bevor sie ihre soziale Ader entdeckt hatten, erst viele Jahre unmögliche Mengen an Geld verdient, sind gefestigt und geben wieder einen Teil des Vermögens an die Allgemeinheit zurück. Dabei handelt es sich jedoch um wenige Ausnahmen.

Wenn wir uns auf Fernsehsender beschränken und da auf Formate, wie das eben angesprochene, scheinen diese der privaten Medien, jenen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, ebenbürtig. Moderne Technik, durchdesignte Studios, wortgewandte Moderatoren und hochdekorierte Gäste. Hier würde noch Meinungsfreiheit herrschen, so wird kolportiert. In Wirklichkeit aber wird hier auf das Verhalten einer breiten Masse massiv Einfluss genommen und diese den Interessen des Kapitals unterjocht. Anders als bei öffentlich-rechtlichen Medien, welche demokratischen Grundsätzen unterliegen und deren Auftrag klar definiert ist, richten sich Private nach Profit und den Ideologien deren Besitzers. Die Macht, welche von diesen Unternehmen ausgeht, ist enorm. Ein Beispiel, wie private Medien Einfluss auf die Politik ganze Staaten nahmen, findet sich in Italien. Der einstige Medienunternehmer Silvio Berlusconi, schaffte es ab Mitte der Neunzigerjahre mehrmals, an die Regierungsspitze vorzurücken. Ausschlaggebend für seinen Erfolg war die Tatsache, dass er im Besitze mehrerer Fernsehsender und Verlagshäuser war. Diese Macht und deren Einfluss überstiegen jene der öffentlich-rechtlichen Anstalten bei weitem. Berlusconis Omnipräsenz führte nicht nur dazu, dass ihn die Italiener einmal zu ihrem Ministerpräsidenten machten. Er wurde sogar mehrmals und nach grandiosem Scheitern, in diese Position gehievt. Die Tatsache, dass Berlusconi immer wieder Macht in einem demokratischen Staat wie Italien einer ist, erlangt hat, zeigt, wie enorm sein Einfluss war und wie dieser zu einem dermaßen irrationalen Verhalten eines Staatsvolks verleitet. Ähnliches kann von der Wahl Donald J. Trumps in den USA 2016 behauptet werden, um ein aktuelleres Beispiel zu nennen. Was diesen Fall betrifft greift etwas, das um ein Vielfaches mehr Einfluss auf Menschen hat und dessen Gefahrenpotenzial entsprechend höher ist. Es geht um das Internet und den damit verbundenen Möglichkeiten.

Um sich den Impakt dessen zu verdeutlichen, den die Entwicklung dieses weltweiten Datennetzes auf die Menschheit hat, kann man sich folgende Fakten verinnerlichen. «Die Menge an Daten, welche die Menschheit in zweitausend Jahren, bis hin zum Jahr 2003 generiert hat, wurde bereits im Jahr 2010 in nur ZWEI Tagen produziert» (Google-CEO Eric Smith, auf der Techonomy Konferenz in Lake Tahoe, CA). Nun ist es nicht so, dass diese Daten nur produziert werden, um anschließend auf irgendwelchen Servern ihr Dasein zu fristen oder aber um wieder gelöscht zu werden. Vieles davon wird von Usern konsumiert, bevor es dem Gedächtnis des Internets für immer erhalten bleibt. Die Tatsache, dass wir Menschen heute fast durchgehend an diesen Datenstrom angeschlossen sind, macht uns zu Dauerkonsumenten. Vergleichen wir Informationen mit Luft, dann gab es bis 2003 ein laues Lüftchen, in das wir ab und zu unseren Kopf gesteckt hatten. Heute jedoch wütet ein Tornado, der mit mehreren hundert km/h über den Planeten fegt. Wir Menschen wurden mit einer schier ungeheuerlichen Geschwindigkeit etwas ausgesetzt, auf das wir nicht im Geringsten vorbereitet waren. Fritz Jergitsch zitiert in seinem neuen Buch aus dem Jahr 2021, „Die Geister, die ich teilte“, eine berühmte Statistik, welche diese Beschleunigung eindrucksvoll demonstriert. Sie reiht Technologien anhand der Zeit, die sie seit ihrer Entwicklung benötigen, um 50 Millionen Nutzer/innen zu erreichen:

·         Buchdruck (1450): weit über 100 Jahre

·         Telefon (ca. 1850): 75 Jahre

·         Flugzeug (1901): 68 Jahre

·         Auto (1881): 62 Jahre

·         Radio (1890er): 38 Jahre

·         Fernseher (1925): 22 Jahre

·         Personal Computer (1977): 14 Jahre

·         Mobiltelefon (1973): 12 Jahre

·         World Wide Web (1990): 7 Jahre

·         Facebook (2004): 3,5 Jahre

·         Pornhub (2007): 19 Tage

Ich wiederhole mich. Die Menschheit wurde fast über Nacht einem Phänomen ausgesetzt, das einen so enormen Impakt auf fast alle Aspekte ihres Alltags hat, ohne aber im Geringsten darauf vorbereitet worden zu sein. Nicht nur das. Wie es scheint, werden auch kaum Anstalten gemacht, um an dieser Tatsache etwas zu verändern. Niemand kann ernsthaft glauben, dass sich all das nicht auf das Verhalten der Menschen niederschlägt. Am raschesten auf diese Veränderung hat die Wirtschaft reagiert. Konzerne schlagen Profit aus der Situation, neue sind entstanden. Innerhalb kürzester Zeit haben jene Unternehmen die Macht auf dem Planeten erobert, die direkt oder indirekt mit der neuen Entwicklung verbunden sind. «Daten, die persönlichen Daten, Content sind das Erdöl des 21. Jahrhunderts» schreibt der Schweizer Ökonom Hannes Grassegger in seinem Buch aus dem Jahr 2014, «Das Kapital bin ich». Er beschreibt die «digitale Leibeigenschaft» als einen «radikalen neuen Zustand» und als eine «selbstverschuldete digitale Unmündigkeit».

Die Menschen lassen sich einlullen von einer bunten Welt, die rasend schnell an ihnen vorüberzieht. Jene, welche aus dem analogen Zeitalter stammen, die sich daran erinnern, wieviel Aufwand früher betrieben werden musste, um an all die Dinge zu kommen, die heute wenig Klicks erfordern und allenfalls eine Kreditkartennummer, stehen da, wie Kinder vor einer Vitrine voller Süßigkeiten, bei der man die schützende Glaswand entfernt hat. Sie greifen zu, nehmen was sie kriegen können, ohne sich wirklich mit den Folgen auseinanderzusetzen. Zu schön, um wahr zu sein. Die Generation, die nachkommt, sie kennt es nicht anders. Ob unsere Jugend intuitiv lernt, mit dem Datentsunami umzugehen, wage ich zu bezweifeln. Wir werden handeln müssen, und zwar rasch. Die Menschen müssen befähigt werden, wie sie dieses neue Phänomen bewältigen können. Es darf nicht sein, dass es illustre Persönlichkeiten in Talkshows schaffen, mit fragwürdigen Argumenten Wahrheiten auf den Kopf zu stellen oder noch schlimmer, Wahlen zu beeinflusst und Demokratien zu gefährden. Populismus ist kein neues Phänomen, nie vorher jedoch war die Welt so komplex, die Dynamik dermaßen groß, wie in unserer Zeit. Das Bedürfnis des Menschen nach Klarheit und Sicherheit macht ihn anfällig, auf die einfach strukturierten Botschaften von Populisten oder andern hereinzufallen, die sich en masse über die Konsumenten, hauptsächlich digitaler Medien, ergießt. Vieles klingt auf Anhieb logisch und nachvollziehbar, so sehr, dass kritische Gedanke gar nicht erst aufkommen. Auch würden Zweifel mit sich bringen, dass man sich Informationen und Wissen mit viel Aufwand zusammensuchen, sich beibringen lassen müsste, wie man Ereignisse in den richtigen Kontext stellt.

Stellt man Schwurbler und Verschwörungsgläubige vor diese Tatsachen, wird man oft seinerseits als kritiklos und staatshörig abgestempelt. Dabei geht es in keiner Weise darum, demütig alles hinzunehmen, zu was einen staatliche Institutionen verpflichten oder wissenschaftlichen Ergebnissen nicht mit Skepsis zu begegnen. Das Problem hierbei ist jedoch, dass Menschen aufhören zu differenzieren. Beispielsweise wenn Menschen den großen Medien nicht mehr vertrauen und diese pauschal der Lüge bezichtigen. Sicher ist es der Fall, dass viele Medien im Besitze weniger Großunternehmen sind und diese ihren Einfluss auf das nehmen, was veröffentlicht wird. Gerade ein Vorteil des globalen Netzwerks jedoch ist, dass sich Meldungen sehr leicht quervergleichen lassen. Das Bedürfnis nach Kritik sollte uns dazu anspornen, Nachrichten zu hinterfragen und sie nebeneinander zu stellen. Weiter muss uns auch bewusst sein, dass qualitativ hochwertige Nachrichten Geld kosten und teilweise viel Aufwand in deren Aufbereitung gesteckt werden muss. Eine von einem Laien willkürlich mitgeschnittene Videosequenz muss nicht zwangsläufig das vermitteln, was die Wahrheit ist, weil vielleicht aus dem Zusammenhang gerissen. Journalismus ist eine Profession, die Menschen dazu trainiert, Informationen auf eine Art aufzubereiten, dass beim Empfänger ein möglichst reales Bild des Geschehens entsteht. Wie in jedem Beruf, wird auch hier manchmal Schindluder getrieben, gibt es Manipulation oder Propaganda. Wer nun aber glaubt, dass dies bei den sogenannten Alternativen Medien oder Einzelnen, die Informationen über ihren YouTube-Kanal oder Telegram verbreiten, nicht der Fall ist, ist mit Verlaub, gelinde ausgedrückt, naiv.

Die Gefahr, die durch den akuten Mangel an Medienkompetenz vorherrscht, wird meines Erachtens massiv unterschätzt. Große Internetgiganten nehmen aus Profitgier Einfluss auf demokratische Prozesse, bzw. verhindern Manipulationen von Außen kaum. Auf diese Weise werden nicht nur Meinungen geformt und beeinflusst, sondern es geht in der Konsequenz um Menschenleben. Ein Beispiel dafür ist die Flüchtlingspolitik vieler westlicher Staaten. Die Stigmatisierung von Geflüchteten funktioniert vielfach durch die Verbreitung von Massen an Falschinformation. Dies führt in der Folge zu einer Beeinflussung des Wahlverhaltens von Millionen von Menschen. Nationalistische Parteien werden an die Macht gespült, die eine entsprechend flüchtlingsfeindliche Politik propagieren. In der Konsequenz sterben tausende von Menschen pro Jahr an Europas Außengrenzen. Zum Völkermord an den Rohingya in Myanmar, kam es hauptsächlich durch die konzentrierte Verbreitung von Fake-News über Facebook.

Dies nur zwei willkürliche Beispiele, über die Folgen von Mangel an Medienkompetenz. Es bleibt jedem selbst überlassen sich auszumalen, welches weitere Konsequenzen sein könnten.

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