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Wir können nicht ganz Afrika aufnehmen

Ende 2017 befanden sich laut UNO-Flüchtlingshilfe weltweit knapp 70 Mio Menschen auf der Flucht. Die Zahl der Flüchtenden hat sich im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt, 85% der Menschen lebt in Entwicklungsländern. Sehr wichtig zu wissen ist, dass es sich bei 2/3 der Flüchtenden um so genannte Binnenflüchtlinge handelt, die im eigenen Land verbleiben. Es sind also über 20 Mio Menschen ausserhalb ihres eigenen Landes auf der Flucht.
Soweit wichtige Eckdaten. Nun finden sich immer wieder Meldungen über Menschen, vor allem aus Afrika, welche mit dem Gedanken spielen, ihr Land zu verlassen. Man liest Meldungen, die von Menschen sprechen, die auf gemachten Koffern sitzen und nur darauf warten, den Weg gen Europa einzuschlagen. Weiter werden diesbezüglich auch Zahlen veröffentlicht, bei denen es sich nur um Schätzungen handeln muss, da es aus diversen Gründen keine repräsentativen Umfragen dazu geben kann. Eine weitere Schätzung, die sich ein wenig leichter anstellen ließe, ist jene der in den kommenden Jahrzehnten zu erwartenden Geburtenzuwächse. Dass es dazu jedoch auch zu erheblichen Diskrepanzen kommt, was eine Prognose angeht, bzw. dass es bei der Erhebungen und den Meldungen darüber zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommt, zeigen folgende beiden Beispiele. So schreibt die NZZ in einem Artikel vom Juni 2017 von einer aktuellen Bevölkerungszahl Afrikas von 1 Mrd und einer Verdoppelung bis zum Jahr 2050 auf 2 Mrd Menschen. Nur drei Monate später zitiert die Zeitung Die Welt die Unicef und schreibt, die Bevölkerungszahl Afrikas würde sich bis zum Jahr 2050 auf 2,5 Mrd Menschen verdoppeln. Unschwer zu erkennen, schon bei der Angabe der aktuellen afrikanischen Bevölkerungszahl klafft eine Lücke von einer halben Milliarde Menschen. Dies ist in etwa soviel, wie die EU zur Zeit Einwohner hat. Aufzeigen will ich damit, dass es keine gesicherten Informationen darüber gibt, wie sich Menschen in Zukunft verhalten werden. Prognosen können nur ausgehend von Daten aus der Vergangenheit, bis zum heutigen Stand, den Blick in die Zukunft wagen. Ein sehr unsicheres Unterfangen, denn kaum eine Prognose hat sich bisher exakt so erfüllt wie sie einst gestellt wurde. Eine Tatsache, die auf keine Fall beruhigen sollte, denn es könnte sich ja die schlimmste davon bewahrheiten. 

Es gibt aber Fakten, über die herrscht Einigkeit. Tatsachen sind, dass die Bevölkerung Afrikas teils rasant am Steigen ist, dass die Armut alles andere als abnimmt und, dass sich immer mehr Menschen auf der Flucht befinden. Wahr ist aber auch, dass wir seit mindestens fünfzehn Jahren wissen wohin es führen wird, wenn wir nicht in der Lage sind, eine Art Gleichgewicht in der Welt herzustellen. Dass wir nicht ganz Afrika bei uns aufnehmen können, wird so vielleicht stimmen. Eine Herausforderung, die sich uns in dieser Art jedoch kaum stellen wird. Gründe dafür gibt es zuhauf. Zum einen ist es Fakt, dass Menschen grundsätzlich nicht dazu tendieren, ihren angestammten Lebensraum zu verlassen, ausser sie werden dazu gezwungen. Zum anderen sind wir an einem Punkt angelangt, wo ein „weiter so, wie bisher“ keine Option mehr darstellt. Es besteht akuter Handlungsbedarf. Wir wissen genau, dass es das Ungleichgewicht ist, das auf dieser Welt herrscht. Dabei geht es nicht nur um die Ungleichheit zwischen Ländern der Dritten Welt und uns. Es betrifft auch die unrunde Verteilung des Wohlstandes innerhalb unserer eigenen Ländern. Die Schere zwischen Arm und Reich, das verschwinden der Mittelschicht, nimmt dem einfachen Bürger die Möglichkeit, seinen Teil dazu beizutragen, den es braucht um den Menschen in den ärmsten Ländern dieser Welt, ein Überleben zu gewährleisten. Es wird immer von einer Bekämpfung von Fluchtursachen geredet, ein Begriff, der letzthin fast schon zerredet wurde. Darunter kannn jedoch nicht das Bohren von Brunnen oder das Errichten von Schulen gemeint sein, wenn die betroffenen Ländern zeitgleich wirtschaftlich ausgeblutet werden. Wir müssen aufhören, diese Länder auszubeuten, deren Aufkommen durch unsere Wirtschaftspolitik verhindert wird. Wir müssen aufhören Konflikte, die durch Armut entstanden sind, zu befeuern und künstlich am Leben zu erhalten. Wir müssen weiter alles dafür tun, damit der menschengemachte Einfluss auf unser globales Klima nicht die Folgen hat, die er zur Zeit hat und in Zukunft haben wird. Wenn sich Menschen in ihren Heimatländern eine Perspektive bietet, werden sie diese nicht verlassen müssen und eine Frage nach deren Aufnahme in Europa wird sich nicht stellen. Wenn unsere eigene Politik wieder sozialer und das Individuum wieder ein wenig weiter in den Vordergrund gerückt würde, dadurch der Wohlstand des einzelnen Bürgers wieder stiege, könnten faire Preise bezahlt werden. Ein Faktor, der nicht nur der eigenen Wirtschaft Stabilität und Wachstum bescheren würde, sondern auch über unseren eigenen Kontinent hinaus, positive Effekte mit sich brächte. Die Tatsache, dass immer weniger Menschen, immer mehr besitzen, trifft nicht nur uns, die wir noch verhältnismäßig im Wohlstand schwelgen, sondern es handelt sich um eine Art Dominoeffekt, der sich durchzieht bis in die Hütte des ärmsten afrikanischen Bauern. 
In Europa und dem Rest der Welt wundern sich die politischen Granden über den Unmut in der Bevölkerung und über das Erstarken extremistischer Kräfte. Die Ursachen liegen unter anderem darin, dass Politik fast ausschließlich für Lobby und Wirtschaft gemacht wird, statt für die Bürger der jeweiligen Nationen. Die Unzufriedenheit als Folge, ist der Wind in den Segeln der Populisten. Der Hass auf Minderheiten als Konsequenz von Existenzängsten und der Furcht vor dem eigenen Scheitern. In Ländern wie Italien stehen Migranten in direkter Konkurrenz zu den einfachen Bürgern auf dem Arbeitsmarkt. Abertausende von „Illegalen” beherrschen heute im wahrsten Sinne das Feld der Erntehelfer und landwirtschaftlichen Arbeiter. Früher waren solcherlei Arbeiten zu angemessenen Löhnen den Einheimischen vorbehalten. Heute werden Flüchtende zu modernen Sklaven und systematisch ausgebeutet, unter den Augen derselben Gesellschaft, die sie loshaben möchte und kriminalisiert. 
Wir werden nie ganz Afrika aufnehmen müssen, das kann man mit absoluter Sicherheit sagen. Entweder kriegen wir die Kurve und schaffen, was wir zu schaffen haben, damit wieder ein ausgeglicheneres Verhältnis herrscht, innerhalb unserer Länder aber auch in jenen, die wir die Dritte Welt nennen. Oder aber, rechte und rechtsradikale Kräfte gelangen mehrheitlich an die Macht. Die Pläne dieser Extremisten sind hinreichend bekannt. Was deren Umsetzung angeht, sind sie vage, noch. Allerdings lehrt uns der Blick zurück in die unmittelbare Vergangenheit nichts Gutes. Radikale Lösungen, jene in denen Gewalt eine Rolle spielt, dürfen nie eine Option sein.

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