Wer sich an Tagen
wie diesen den Nachrichten hingibt, stößt immer wieder auf faszinierende Berichte
über den sogenannten „schwedischen Weg“, was eine Bewältigung der Coronakrise
angeht. Während andere Länder Menschen mit rigiden Maßnahmen dazu zwangen sich
in ihren Häusern zu verbarrikadieren, komplette Wirtschaften ausgebremst wurden,
haben sich die Schweden für den Weg der Vernunft entschieden. Man ist davon
ausgegangen, dass der mündige Bürger über ausreichend Intelligenz verfügt, um
sich der Brisanz der Lage bewusst zu sein und entsprechend zu handeln. Nun, es
sieht danach aus, als ob der gewählte Weg, was Schweden betrifft, mehr oder
weniger erfolgreich war. Zumindest ist die Situation dort (noch) nicht in einem
Desaster geendet, wie von vielen prognostiziert. Menschen hatten sich ohne staatliche Zwänge freiwillig
den Umständen angepasst.
Anders wurde die
Situation zum Beispiel in Italien gehandhabt. Die Regierung beschloss rigide
Maßnahmen, Menschen wurden gegen Strafandrohung in ihre Domizile verbannt. Der
Staat setzte Polizei und Militär zur Kontrolle ein, was nicht wenige dazu
veranlasste, die Lage mit einem Kriegszustand zu vergleichen. Warum jedoch konnte
man in Italien nicht, so wie in Schweden, den Menschen einfach empfehlen, wie
sie sich zu verhalten hätten? Dazu muss man wissen, dass wenn man das
schwedische und das italienische Volk nebeneinanderstellt, zwei Mentalitäten wahrlich
aufeinanderprallen.
Schweden ist ein
Land, das auf hohe Transparenz im Verhalten untereinander setzt, auch was
staatlichen Einrichtungen gegenüber angeht. Was unter anderem zur Folge hat, dass der
Korruptionsindex in diesem Land sehr niedrig ist. Entsprechend groß ist auch
das Vertrauen der Bevölkerung in ihren Staat.
Anders in
Italien. Das Land ist grundsätzlich gespalten. Der reiche Norden verdammt den
armen Süden und umgekehrt. Rom, einst als Caput Mundi, als der Nabel der Welt
bezeichnet, hat sich über Jahrtausende, über Wünsche und Bedürfnisse der
Bevölkerung in ihrem Umland mit einer gewissen Grundarroganz, hinweggesetzt.
Ja, manche sagen, das Misstrauen der Menschen jenen gegenüber, die Gesetze
erlassen und für deren Durchsetzung sorgen, läge bereits tief in der DNA der Staatsbürger verwurzelt. Des Italieners Leben ist ein Ritt durch einen von Gesetzen
und Paragrafen überregulierten Alltag, in dem er sich stets mit einem Bein in
der Illegalität befindet. Der Dschungel ist dermaßen wirr, dass es niemandem mehr gelingt, sich auch nur annähernd einen Durchblick zu verschaffen. Abgesehen davon ist der ganze Staatsapparat, mit seiner aufgeblähten, ineffizienten Verwaltung, selbst durch und durch korrupt. Weswegen die Exekutive dazu
tendiert, so manches Auge zuzudrücken, vielmals auch aus Unlust, sich den
Papierkrieg, der unweigerlich auf eine Ahndung zu folgen hat, überhaupt anzutun.
So lebt man in
einer Wechselwirkung aus wohlwollend geduldeter Illegalität und ständig neuen
Gesetzen. Der Staat und seine Exekutive sind zum zahnlosen Tiger verkommen, was
zur Folge hat, dass der durchschnittliche Bürger, weder sie noch deren Gesetze richtig
für voll nimmt. Weil das so ist, kann man sich lebhaft vorstellen, warum in
einem Land wie Italien, eine „schwedische Lösung“ undenkbar gewesen wäre. Der
Italiener erlebte etwas vollkommen Ungewohntes, nämlich einen Staat, der ein
Machtwort sprach und alle Anordnungen auch mit ganzer Härte durchsetzte. Dass
sich da der eine oder andere ältere Stiefelstaatsbewohner in die dunklen Zeiten
des Benito Mussolini, mit seinen schwarzen Schergen zurückversetzt sah, muss
niemanden wundern. Wie anders jedoch hätte man einen soziophilen, lebenslustigen,
aber gesetzesverachtenden Italiener zur schwedischen Vernunft bringen können?
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