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Das Salvini-Phänomen



Für Außenstehende scheint Italien das Land der ewigen Sonne, des "dolce far'niente", der Romantik und des Dauerurlaubs. Es ist der Ort der prächtigen Paläste, der immer noch nachwirkenden Kraft des Imperium Romanum und mit dem Vatikan, das Zentrum der christlichen Welt. Italien ist eines der wenigen Länder, das weltweit einen positiven Ruf genießt, dessen Name als Marke steht, sei es für die italienische Küche, wie für Mode oder auch das Design. Im eigenen Land jedoch sieht es düster aus und die Zeichen stehen nicht auf Besserung, im Gegenteil. Korruption, Vetternwirtschaft, Steuerhinterziehung, das organisierte Verbrechen und ein überdimensionierter ineffizienter Verwaltungsapparat, waren seit je her ein Klotz am Bein der italienischen Staatswirtschaft. Egal ob MitteLinksregierungen oder aber die Rechten am Ruder waren, die wirklichen Probleme wurden kaum angegangen und auch nie gelöst. Die wenigen Ansätze, die Besserung hätten versprechen sollen, wurden von Expertenregierungen oder unter Mitte‐Links vorgenommen, scheiterten jedoch am Unmut der Bevölkerung, die unter den Sparmaßnahmen am meisten zu leiden hatte und den Regierungskurs nicht mittrug. Populisten hatten beim flatterhaften Charakter des italienischen Wählers, leichtes Spiel und so kam etwa Berlusconi relativ problemlos an die Macht. Nicht zuletzt durch die Tatsache, dass er im Besitze mehrerer TVSender und Verlagshäuser war und somit bei weitem mehr Reichweite erzielte, als staatliche Medien und allemal mehr, als seine politischen Gegner. Berlusconi, der seinen Reichtum unter äußerst dubiosen Umständen erlangt hatte, blutete den italienischen Staat weiter aus und stärkte jene Mentalität, die Steuerbetrug zum Kavaliersdelikt macht. Nach Jahren einer clownesken Politik Berlusconis, welche dem Land enormen Schaden zugefügt hat, kam wieder die andere Seite zum Zug. Doch es gelang wiederum nicht, Italien aus der Misere zu führen. Zu groß sowohl Schuldenberg, als auch die Herausforderung was das Ankurbeln der stagnierenden Wirtschaft und eine Beseitigung der damit zusammenhängenden Arbeitslosigkeit mit sich brachten. Nur ein rigider Sparkurs hätte das Land wieder auf Kurs bringen können, wenn überhaupt. Anscheinend war es unzumutbar, die unter den jahrelangen chaotischen Zuständen leidende und vom enormen Steuerdruck geknechtete Bevölkerung weiteren Maßnahmen auszusetzen. Diese trug den Regierungskurs nicht mit, somit öffnete man den Rechtspopulisten und ihren nationalistischen Botschaften Tür und Tor. Den meisten heute ist vollkommen egal, wer die neuen Herren sind, wichtig ist, anders und Hauptsache laut. Hier kommt Salvini ins Spiel. Wie er und seine Partei an die Macht kamen, ist ein Paradoxon für sich. Die Lega Nord, wie sie ursprünglich hieß, trat für eine Loslösung des reichen italienischen Nordens, vom marodierenden Süden ein. Gegründet Anfang der 80er, verfolgte sie diesen Kurs über viele Jahre. Der Süden Italiens und seine Bewohner wurden stigmatisiert und beschimpft, genau in derselben Manier, wie die heutige Lega gegen Minderheiten und Migranten vorgeht. Ende 2013 übernahm Salvini die Führung der Partei und mit ihm folgte eine Neuausrichtung. Die Gegner fand er nicht mehr innerhalb der italienischen Bevölkerung sondern in der Europäischen Union, der amtierenden Regierung und eben in Ausländern. Salvini selbst, ein Mann aus der Mittelschicht mit marginaler Schulbildung, ohne Beruf, dafür mit enormem Selbstbewusstsein und einem immensen Streben nach Macht. Er gibt sich volksnah, was ihn auch keinerlei Anstrengungen kostet, denn zum Staatsmann fehlen ihm jegliche Voraussetzungen. Über die "sozialen Netzwerke" lässt er die Menschen an seinem scheinbar schlichten Leben teilhaben und suggeriert "ich bin einer von euch!". Seine Versprechungen unterscheiden sich kaum von jenen anderen Populisten, wie etwa jenen Farages im UK, Trumps in den USA oder Straches in Österreich. Klassischer Rechtspopulismus, einfache Lösungen für komplexe Probleme. Seit fast eineinhalb Jahren ist Salvini mit seiner Lega nun in der Regierung. Die Revolution des Volkes, gegen die da oben. Früher gegen die Regierung, heute ist unter anderem die EU das Feindbild, die Italien davor abhalten möchte, den Schuldenberg zu vergrößern. Von den vielen Versprechen hat Salvini jedoch kaum eines eingelöst. Die Wirtschaft stagniert weiter, die Arbeitslosenzahlen sinken nicht, die Steuerlast bleibt bestehen, Großstädte versinken im Müll, der öffentliche Verkehr funktioniert immer weniger, im Grunde alles wie auch schon. Es muss einem als Außenstehender bewusst sein, dass Italien sich für seine Bürger gefühlt, in einer Todesspirale befindet. Eine schier ausweglose Situation, man sieht niemanden, der das stoppen könnte. Schuld an der Misere wird nicht im eigenen Verhalten, der Schattenwirtschaft und Korruption, dem aufgeblasenen Staatsapparat gesehen, sondern im Regierungsstil der Vorgängerregierungen, dem Spardiktat der EU und vor allem, in den immer noch nach Italien einreisenden Migranten. Mit diesen drei Argumenten jongliert Salvini wie ein Zirkusartist in einer Manege und je nach Situation, wird die Betonung von einem Thema auf das andere verlagert. Lange waren die fast täglich anlandenden Boote und Rettungsschiffe mit Geflüchteten ein Dauerbrenner und ein bequemes Opfer, über das sich Salvini allgewaltig und archaisch auf sämtlichen Kanälen auslassen konnte. Wie auch andere europäische Politiker, stigmatisiert er jeden, der von außen nach Italien flieht und alles was damit in Zusammenhang steht und schreckt auch nicht davor zurück, gezielt Falschmeldungen und Lügen zu verbreiten, um seine Agenda voranzubringen. Es ist Salvini gelungen, die Stimmung seiner immer noch ansteigenden Wählerschaft dahingehend zu beeinflussen, dass diese die wesentlichen Ursachen ihrer Misere aus den Augen verloren haben. Dafür ließ er medienwirksam Rettungsschiffe festlegen, sperrte Häfen, ließ Beteiligte verhaften und diese vor Gerichte stellen. Dabei brach er ungeniert nationales und internationales Recht. Wollte man ihn dafür belangen, nutzte er auch diese Situationen zum Ausbau seiner Sympathien, indem er sich als Opfer darstellte und als den Vater, den "Capitano" der sein Volk schützen und führen will. Das Absurde an der aktuellen Lage ist, dass Salvinis Art, wie er seine Wähler für sich gewinnt und bei der Stange hält, dermaßen primitiv und durchschaubar ist, dass der Blick von außen fast Schmerzen auslöst. Gleichzeitig zeigt dies aber, wie schlecht die Verfassung der italienischen Bevölkerung in mehrerlei Hinsicht ist. Nicht nur Steuerdruck, marode Infrastrukturen oder die Repressionen durch das organisierte Verbrechen vor allem im Süden, der Niedergang beginnt sich auch in der mangelnden Bildung zu manifestieren. Salvini wird zur richtigen Zeit in der richtigen Position sein. Er träumt von der Alleinherrschaft und mit ein wenig Glück, kann ihm das in Kürze gelingen. Was dann in Italien passieren wird, wohin die Entwicklung geht, kann man an seiner rassistisch‐fremdenfeindlichen Gesinnung, dem Hang zu faschistischen Symbolen und Mustern sowie seinem allgemeinen Gebaren gegenüber anderen Politikern und Staaten ausmachen. Wenn nicht ein Wunder geschieht, wenn er nicht über einen gigantischen Skandal stolpern sollte, wird Salvini bald in Italien herrschen. Für das Italien, das wir schätzen und lieben, bedeutet dies den Todesstoß, in Europa kann es einen Flächenbrand auslösen, denn andere Länder könnten dem italienischen Vorbild folgen. Dann jedoch wird sich die Geschichte wiederholen und Europa wird abermals in Schutt und Asche liegen. Dies zu Freuden der USA und Russland, vielleicht sogar Chinas, deren Mächtigen kräftig an der Demontage unseres Kontinents mitmachen, diese forcieren und unterstützen. All das sollten wir zu verhindern wissen.

@ivo815

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