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Der UN-Migrationspakt

Es gibt wohl kaum ein Thema, das seit jeher Menschen und Gemüter dermaßen spaltet und erhitzt, wie jenes der Migration. Die auf Dauer angelegte räumliche Veränderung des Lebensmittelpunktes von Menschen, meist über Landesgrenzen hinaus, nennt sich Migration. Dabei handelt es sich um kein neuzeitliches Phänomen. Menschen, die aus diversen Gründen vorziehen ihren Standort zu wechseln, hat es seit Anbeginn gegeben. Aus den einstigen Nomaden, die keinen festen Wohnsitz hatten, wurden sesshafte Menschen. Land wurde in Anspruch genommen, Grenzen gezogen, Nationen bildeten sich. Nichtsdestotrotz haben Menschen immer wieder aus verschiedensten Gründen den Ort Ihrer Geburt verlassen, um sich an einer anderen Stelle niederzulassen. Dabei ist es im Laufe der Geschichte wiederholt sogar zur Wanderung ganzer Völker gekommen, was entsprechend Spannungen mit sich führte. Im Laufe der zivilisatorischen Entwicklung der Menschheit hat man gelernt, durch internationale Verbände und  Abkommen, Bedürfnisse und Interressen von Nationalstaaten zu vertreten, zu regeln und zu festigen, ohne dass dazu etwa die Gewalt von kriegerischen Auseinandersetzungen notwendig wäre. Ein Entwicklungsprozess, der für den einzelnen Menschen fast ausschließlich Vorteile mit sich gebracht hat, jedoch bei weitem nicht abgeschlossen ist. Im Gegenteil, mit wachsender Weltbevölkerung, der fortschreitenden Technisierung, dem globalen Handel usw. steht mehr und mehr Handlungsbedarf im Raum, um entstehenden Ungleichgewichten entgegen zu wirken. Die Entwicklung, welche nicht überall auf der Welt in gleichem Maße stattfindet, hat diese in Zonen aufgeteilt. Es gibt die reichen hochentwickelten Länder, jene deren Entwicklung sich in einem Zwischenstadium befindet und andere, welche arm sind. Diese Diskrepanzen führen automatisch dazu, dass Menschen entweder gezwungen werden, ihren Standort zu wechseln, oder aber aus nachvollziehbaren Gründen auch Teil der wohlhabenderen Gesellschaft sein wollen. Vielfach liegen die Ursachen der Armut gewisser Nationen im Reichtum der anderen begründet. 
Große zivilisatorische Errungenschaften, wie etwa internationale Abkommen die Rechte von Menschen betreffend, Ethik und Moral im Umgang miteinander, sowie deren Verankerungen in den meisten Grundgesetzten, haben für das Individuum immense Verbesserung im Vergleich zu vergangenen Zeiten, gebracht. Allerdings ist dieser Prozess der Angleichung der weltweiten humanitären Verhältnisse bei weitem nicht abgeschlossen, im Gegenteil, vieles ist noch offen, einiges muss noch nachgebessert werden. 
Wie gesagt, Migration hat immer schon zu Reibereien innerhalb von Völkern und Nationen geführt. Da im Kern dieser Gemeinschaften, Ansichten, Wünsche und Bedürfnisse niemals einheitlich sind, schwankt entsprechend auch die Akzeptanz, was den Zuzug von Menschen aus anderen Ländern angeht. Wo es einerseits jene gibt, die wirtschaftlichen Vorteile etwa durch Arbeitskraft oder Kompetenz sehen, haben andere Angst vor den Einflüssen fremder Kulturen, Religionen, Lebensweisen, Mentalitäten usw. auf den eigenen Alltag. So entstehen Lager innerhalb von Gesellschaften. Einerseits gibt es jene, die sich offen und liberal gegenüber neuen Mitbürgern zeigen und andere, die konservativer, ja gar radikal agieren. Weil die Vertreter radikaler Ansichten durch ihr Verhalten dem zivilisatorischen Fortschritt einen Dämpfer versetzen, sehen sich Rechsstaaten im Rahmen des demokratischen Selbstverständnisses gezwungen, diesem Phänomen entgegenzutreten. Vor allem, da sich diese radikalen Kräfte in den letzten Jahren weltweit, auf organisierte und strukturierte Weise, mehr und mehr Gehör verschaffen. Die Problematik dieser Entwicklung ist nicht die vorgebrachte Kritik an den Obrigkeiten, sondern die Vorgehensweise, wie diese formuliert und unter die Menschen gebracht wird. Es ist der sogenannte Populismus, der mittlerweile ganze Staaten übernommen hat und immer noch im Ausbreiten begriffen ist. Die herausragenden Merkmale sind der Fokus auf den eigenen Nationalstaat mit der damit einhergehenden Abgrenzung, bzw. Ausgrenzung anderer Nationen und Ausländern. Was bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar, wenn nicht gar gesund scheint, bringt in der Summe kaum Vorteile. Im Gegenteil, die Nachteile überwiegen bei weitem.

Einen der vielen kleinen Schritte nach vorn, in der menschlichen Entwicklungsgeschichte, stellt der von den United Nations erarbeitet Migrationspakt dar, genannt „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“. Es handelt sich dabei um ein Werk, das in Zusammenarbeit und unter Einflussnahme sämtlicher Mitgliedsstaaten der UNO ausgearbeitet wurde. Einzig die USA hatte, unter der Regierung von Donald J. Trump, eine Teilnahme ausgeschlossen. Genauere Informationen zu Entstehung und Umständen finden sich hier. Dem Pakt soll bei einem Treffen der UN Mitglieder im Dezember 2018 im marokkanischen Marrakesch offiziell zugestimmt werden. Wie nicht anders zu erwarten wenn es um das Thema Migration geht, führte dies im Vorfeld zu Polemiken. Dabei hat jedoch dieser spezielle Fall eine ganz eigenen Dynamik bekommen. Im Anbetracht der immer komplexer und unkontrollierbar werdenden Situation, was das Thema Migration angeht, war dringender Handlungsbedarf angesagt. Ein Fakt, der die internationale Gemeinschaft dazu animiert hatte, Maßnahmen zu ergreifen. Es wurde beschlossen, eine Regelung auszuarbeiten, welche sowohl jenen Ländern welche als Herkunftsländer definiert werden und den Menschen dort, als auch denen, die Aufnahmeländer sind, Sicherheit, Rechte und auch Pflichten vorgibt. Eine Initiative, welche unter anderem nach den Vorkommnissen im Jahr 2015 mit der so genannten „Flüchtlingskrise“, mehr als überfällig war. Der Beschluss der UN war alles andere als geheim und die einzelnen Schritte wurden nach und nach kommuniziert. Dass große Schlagzeilen in den Mainstream-Medien ausblieben, lag weniger daran, das Offensichtliche klein zu halten, sondern schlicht an der Tatsache, dass es kaum etwas zu berichten gab. Schließlich war der Pakt in Ausarbeitung und somit gab es auch aus rein journalistischer Perspektive kaum nennenswertes Material für ausführliche Berichte. Anders gingen jedoch die bereits angesprochenen radikalen, populistischen Strömungen, hauptsächlich in Europa vor. 
In den vergangenen Monaten wurde, hauptsächlich in sozialen Netzwerken aber auch auf anderen digitalen Plattformen, Stimmung gegen diesen UN-Migrationspakt gemacht. Die Folge ist, dass bedingt durch die etwa von Google angewandten Algorithmen, das Ergebnis von Suchen zum Thema UN-Migrationspakt, fast ausschließlich Inhalte von tendentiösen Quellen liefert. Der unbedarfte Bürger, der sich neutrale und kompetente Informationen zur Thematik beschaffen will, kann dieses Ziel nur mit viel Mühe und Aufmerksamkeit erreichen. Die Meinungsmache ist von AfD, FPÖ, den Identitären und anderen rechten und rechtsradikalen Europafeinden gekapert worden. Ironischer Weise wird diese Tatsache von eben diesen Gruppierungen als Indiz dafür gewertet, dass die offizielle Seite den Migrationspakt still und heimlich habe durchwinken wollen, weshalb kaum Information darüber im Netz zu finden sei. Dabei wurde, wie bereits beschrieben, sehr wohl berichtet, als es zu berichten gab. Abgesehen davon, ist der Inhalt des Paktes unspektakulärer, als aufgrund der Polemiken zu erwarten wäre. Dies mag auch mit ein Grund dafür sein, weshalb die österreichische Regierung nicht die offizielle deutsche Übersetzung des auf Englisch geschriebenen Titels des Dokuments publiziert hat, sondern eine eigene manipulierte Version. Heißt es im Original „Globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“, so wird in der österreichischen Version aus der „regulären Migration“ ein „planmäßige“. Damit soll suggeriert werden, dass ein Plan bestünde, Migration zu fördern. Es handelt sich jedoch um eine Blaupause der von AfD, FPÖ oder Identitären verbreiteten Verschwörungstheorie, bezüglich der von ihnen so genannten Umvolkung. 
Im UN-Migrationspakt wird immer wieder betont, dass es sich um eine Absichtserklärung der teilhabenden Staaten handelt, welche keinen Einfluss auf deren souveränen Entscheidungen hat. Auch ist der Pakt rechtlich nicht bindend.  Interessanterweise sind die im Pakt festgelegten Vorgaben bereits in vielen modernen Demokratien, wie etwa in Deutschland oder der Schweiz, im Grundgesetz verankert. In diesen Ländern wären also keinerlei Anpassungen notwendig. Verpflichtungen sind im Pakt so oder so nicht vorgesehen. Wie diffus der Diskurs zum Thema ist zeigt, dass viele, sogar seriöse Medien, von einem Vertrag berichten, den es zu unterschreiben gilt. Dies ist falsch in zweierlei Hinsicht. Erstens handelt es sich bei einem Pakt in diesem Sinne um keinen Vertrag. Darin besteht rein rechtlich ein Unterschied. Ein Vertrag wird mit einer oder mehreren Unterschriften besiegelt und ist somit bindend. Dies ist bei einem Pakt nicht zwingend der Fall. Der UN-Migrationspakt wird, wie bei der UN üblich, durch Abstimmung angenommen oder eben nicht. Es bleibt einzelnen Staaten vorbehalten, sich unter Umständen nicht an der Abstimmung zu beteiligen, bzw. gegen den Pakt zu stimmen. Mehr zu den Abstimmungsmodi der UN hier. Allerdings würde eine Ablehnung, speziell von Ländern, welche bei der Ausarbeitung mitbeteiligt waren, wie beispielsweise Österreich, nicht sinnvoll sein.

Welchen Sinn macht ein Pakt, der rechtlich nicht bindend ist? Der Gedanke welcher hinter diesem Abkommen steht ist, eine Basis zu schaffen, auf der Verträge zustande kommen. Staaten, die dem Pakt beitreten signalisieren grundsätzlich eine Gesprächsbereitschaft. Dabei geht es auch vorwiegend um die sogenannten Herkunftsländer und um die immer und immer angesprochenen Bekämpfung der Fluchtursachen. Je mehr miteinander geredet wird, statt gegeneinander, je enger man vernetzt ist, desto einfacher eine Problemlösung. 
Weiter ist der Begriff Migration, speziell durch das Erstarken populistischer Kräfte weltweit, stigmatisiert worden. Vollkommen in den Hintergrund rückt die Tatsache, dass ein Teil unseres Wohlstandes ausschließlich durch und wegen Migration zustande kam und immer noch kommt. Immer mehr Menschen verdrängen, dass ganze Länder und Industrien von migrierenden Menschen aufgebaut wurden, viele Wirtschaftszweige ohne Migranten zusammenbrechen würden. Einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Hot-Spots der Welt, das Silicon Valley, ist ein Schmelztigel der Migration. Ohne ausländische Fachkräfte undenkbar. Solche Beispiele finden sich quer durch alle Wirtschaftszweige, angefangen bei der Agrarwirtschaft, über den Gesundheitssektor, bis hin zur Altenpflege. Andere Zonen, wie beispielsweise der ehemalige Ostteil Deutschlands, wo Menschen abwandern und der kaum Ziel von Migrantenströmen ist, liegt die Wirtschaft flach, gibt es kaum Entwicklung. 

Als Argument der Paktgegner werden auch immer wieder jene Länder aufgelistet, die eine Anerkennung des Paktes ablehnen oder aber diesem gegenüber eine kritische Haltung zeigen. Es wird jedoch meist vergessen, dass es sich bei denen in Europa hauptsächlich um Länder handelt, die entweder von rechten bis rechtsradikalen Regierungen geführt werden, die schon in mehrerer Hinsicht mit den offenen demokratischen Grundwerten Europas kollidieren, wie etwa Ungarn, Polen aber auch Österreich. Deren migrationsfeindliche Haltung ist hinlänglich bekannt. Auch die Reaktionen von Seiten der USA ist schlecht als Argument gegen den UN-Migrationspakt zu gebrauchen, sondern eher dafür. Die kategorische Ablehnung gegen alles, was nicht direkt und alleine von der US-amerikanischen Regierung kommt, die irrationale Aufkündigung mehrere internationaler Abkommen, all das zeigt, dass die Amerikaner keinen Maßstab darstellen, was eine Qualität des Paktes angeht. Was die Schweiz betrifft, die federführend an der Ausarbeitung des UN-Migrationspaktes beteiligt war, gibt es auch dort nationalistische Bestrebungen und es liegt in der Natur des föderalistischen Systems, dass kritische Stimmen gehört werden müssen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die bezüglich Migration eher konservative Schweiz, sich mit der Beteiligung an der Ausarbeitung des Pakts, nicht ein Ei ins eigene Nest gelegt hat.  

Unterm Strich also kann festgestellt werden, dass der UN-Migrationspakt von nationalistischen und rechtsradikalen Kräften boykottiert und instrumentalisiert wird, um Macht zu festigen oder diese nicht zu gefährden. Die Vorgehensweise beweist im Grunde, was offensichtlich ist. Denn würde das Thema Migration durch einen Pakt eine gewisse Regelung erfahren und dadurch Ordnung in die Debatte gebracht werden, es würde eben diesen populistischen Kräften den Wind aus den Segeln nehmen, indem ihnen ein Feindbild abhanden käme. Die Orbáns, Kaczyńskis, Straches aber auch Politiker wie Kurz, deren gesamte politischen Inhalte fast zur Gänze auf dem Kampf gegen Migration aufgebaut sind, haben absolut kein Interesse an Veränderung in irgendeine Richtung. Wäre dem nicht so, hätten sie die Gelegenheit gehabt, Stellen im Dokument des UN-Migrationspaktes gegebenenfalls ihren Bedürfnissen anzupassen. Die Ablehnung offenbart, wessen Geistes Kind diese Populisten sind. Die Mittel, mit denen sie agieren zeigt, wohin die Reise gehen soll. Wo Lüge zur Wahrheit wird, Manipulation zum Tagesgeschäft gehört, werden Demokratie, Friede und Freiheit Stück für Stück zu Grabe getragen. 


Detaillierte und kompetente Infos zum UN Migrationspakt

Einmal der Pakt in deutscher Sprache: http://www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf

Weitere Infoquellen:




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