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WIR und der Krieg

"Wir müssen diesen Krieg beenden!"
"Wir müssen dem Sterben in der Ukraine ein Ende setzen!"
"Waffenlieferungen einstellen! Wir müssen auf diplomatische Lösungen setzen!"

Immer, wenn Menschen dies oder ähnliches sagen, blenden sie wichtige Fakten kategorisch aus. Die Rede ist von Putin und dem russischen Regime. Es wirkt so unwirklich, wenn sie dann ihre Argumente vortragen, die irgendwie alle in sich stimmig sein mögen. Aber nur dann, wenn man Russland und sein Handeln aus dem Blick verliert. Es ist fast so, als würde man darüber diskutieren, ob der Mensch fliegen kann, und man würde eine Menge Argumente dafür auf den Tisch legen, aber eine wesentliche Komponente, nämlich die Existenz der Schwerkraft, kategorisch ausklammern.

Selbst wenn man in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine alle politischen Entscheidungen der westlichen Staaten im Vorfeld, wie z.B. die NATO-Osterweiterung, mit einbezieht, selbst wenn man alle Verschwörungstheorien, wie z.B. die eines Putsches auf dem Maidan, als wahr annähme, selbst dann hätte Russland kein Recht gehabt, in der Ukraine militärisch zu intervenieren. Wie man es auch dreht und wendet, es gibt absolut keine Rechtfertigung für diese Invasion. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern eine Tatsache (Völkerrecht). Auch frühere Ereignisse wie der Angriffskrieg der USA gegen den Irak oder das Eingreifen der NATO im Jugoslawienkrieg geben Putin keinen Freibrief für sein Handeln. Da es absolut keine Rechtfertigung für diesen Krieg gibt, muss die logische Konsequenz sein, dass sich Russland vollständig aus der Ukraine zurückzieht. Jeder Kompromiss wäre falsch. Ebenso falsch ist das Argument, die Unnachgiebigkeit der Ukraine koste Menschenleben. Es ist nicht die mangelnde Kompromissbereitschaft der Ukraine, die diesen Krieg am Laufen hält, es ist das Machtstreben Russlands, sein Imperialismus, der dieses Morden am Laufen hält. Ginge es Putin wirklich um die Sicherheit der in der Ukraine lebenden russischstämmigen Menschen, könnte man eine Verhandlungslösung finden und entsprechende Garantien in der ukrainischen Verfassung verankern. Ginge es um die Bedrohung Russlands durch einen NATO-Beitritt der Ukraine, könnte man auch hier entsprechende Maßnahmen ergreifen, um den Sicherheitsinteressen Russlands gerecht zu werden. All diese Argumente sind jedoch nur vorgeschoben und entsprechen nicht den tatsächlichen Bestrebungen des Kreml-Regimes. Es geht um Machterhalt und Machtausweitung. Es geht darum, sich mit Gewalt an der Spitze eines Staates zu halten, in dem früher oder später demokratische Bestrebungen der Bevölkerung zum Sturz des Systems führen werden. Ein System, das in Russland in den letzten Jahrzehnten nicht zu Fortschritt, sondern allenfalls zu Stillstand, wenn nicht gar zu Rückschritt geführt hat. Mit jedem Nachbarland, das sich am globalen Westen orientiert, am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben will, was demokratische Prozesse voraussetzt, zieht sich die Schlinge für Russland weiter zu. Dabei geht es nicht darum, dass das russische Regime sein Land vor einer Invasion der NATO, der USA oder eines anderen westlichen Militärbündnisses schützen müsste. Dieses Feindbild wird seit Jahrzehnten propagandistisch aufgebaut und gepflegt. Zusammen mit einer Dämonisierung des westlichen Lebensmodells. Im Grunde verfolgt Russland dasselbe Modell wie der koreanische Diktator Kim Jong-un in Nordkorea. Den Menschen dort wird eingeredet, ihr Führer beschütze sie vor der bösen Welt da draußen. Sie würden in einem Paradies leben, in dem alles zu ihrem Besten geschieht. Tatsächlich aber sind die Menschen dort Marionetten, deren Leben nur dem Machterhalt der Eliten dient. Regime wie das russische scheuen die Demokratie wie der Teufel das Weihwasser. Wer im Westen die Argumente der russischen Propaganda aufgreift und verbreitet, macht sich mitschuldig.

Wir können das Sterben in der Ukraine nicht beenden, aber wir können es ein Stück weit verhindern, indem wir die dortige Armee in ihren Verteidigungsbemühungen angemessen unterstützen. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung. Wir müssen Russland isolieren, wo immer wir können und solange dieses Regime an der Macht ist. Wir müssen uns von Russland unabhängig machen und dürfen dieses Regime nicht durch unseren wirtschaftlichen Hunger stärken. Auch wenn wir uns mittelfristig von anderen Despoten abhängig machen müssen, werden wir nicht umhin kommen, Prioritäten zu setzen. Russland in der jetzigen Situation noch irgendwie zu berücksichtigen, ist grundfalsch. In der Rangliste der Vasallenstaaten, der Diktatoren mit korrupten Despoten, in der Gewaltskala steht Russland einsam an der Spitze.

Der Krieg in der Ukraine wird enden, wenn der Initiator dies beschließt oder wenn das Regime im Kreml gestürzt wird und seine Nachfolger das Ende des Krieges verfügen. Wir können den Frieden noch so sehr herbeisehnen und das tun, was man gemeinhin als Bemühen oder Anstrengung bezeichnet. Aber das alles lässt einen Wladimir Putin völlig unbeeindruckt. Es geht ihm nicht darum, uns, dem Westen, entgegenzukommen und uns in unserer Komfortzone zu belassen, im Gegenteil. Russlands Ziel ist es, unser Werte- und Lebensmodell zu unterwandern und zu zerstören, um sein eigenes zu erhalten und zu stärken. Diese Zerstörung geschieht durch die Einmischung in Wahlentscheidungen in westlichen Demokratien, durch die finanzielle Unterstützung von dortigen Demokratiefeinden, durch die Verbreitung von Propaganda über russische Medien im Westen, durch das Anheizen von Konflikten und Kriegen in vielen Ländern der Welt und die dadurch ausgelösten Flüchtlingsströme, die massiv zur Destabilisierung unserer politischen Systeme führen. Nicht umsonst ist in vielen Ländern Europas ein Erstarken rechtsradikaler bis rechtsextremer Parteien zu beobachten, die zumeist russlandfreundlich eingestellt sind. Sie alle segeln im Wind, der ihnen aus Russland in die Segel bläst, und ihr Bestreben ist es, die Einheit Europas und damit sein Erstarken zu verhindern. Das passiert ganz im Interesse des russischen Regimes.

Ein schwacher Westen, in dem Demokratien allmählich an Wert verlieren und immer mehr Autokraten nach ungarischem Vorbild das Sagen haben, spielt dem russischen Regime und seinen Ambitionen in die Hände. Diese Tendenzen bestätigen, was die russische Propaganda dem eigenen Volk seit Jahrzehnten einredet. Demokratien werden als schwach, anfällig, dekadent und daher als nicht erstrebenswert dargestellt. In einem propagandagewohnten und zudem extrem leidensfähigen russischen Volk, dessen Horizont oft nicht über die eigene Datscha hinausreicht, in dem ein Großteil der Menschen keine Fremdsprachen beherrscht und damit von allen Informationsquellen der modernen Welt ausgeschlossen ist, fallen diese Lügen auf fruchtbaren Boden. Sie rechtfertigen auch ganz einfach diesen sinnlosen und völlig ungerechtfertigten Angriff auf ein Brudervolk, das pauschal zu Nazis und damit zum Erzfeind erklärt wird. Übrigens habe ich noch von keinem westlichen Troll Kritik an Putins "Nazikeule" gehört, die ein ganzes Volk vollkommen undifferenziert als Nazis diffamiert.
 

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